Über einen Gesandten der Stadt Ulm

 

Bei der Herzogin von Österreich, Frau Mathilde, hatte der Rat von Ulm einstmals nötige, wichtige und ehrenhafte Geschäfte abzuwickeln. Deshalb schickte er einen klugen und verständigen Mann, der dem Rat angehörte und ein Doktor der Rechte war, zu ihr, um Streit und Verwirrungen zu vermeiden. Um in den Saal der Herzogin zu gelangen, musste der gute Mann etliche Treppen hochsteigen. Da ging ihm die Puste aus, denn er war ein feister und dicker Mann. Er keuchte furchtbar beim Sprechen, und als er sich vor der Herzogin verbeugte, wie es sich gehörte, entfuhr ihm ein kleines Fürzlein, das er jedoch nicht beachtete und sich in seinen Ausführungen nicht beirren ließ. Die Herzogin – obwohl sie das Geräusch hörte – ließ sich nichts anmerken. Ihre Kammerjungfern und Mägde jedoch sahen sich hinter ihrem Rücken groß an, lachten insgeheim und konnten über dieses Fürzlein nicht fertig werden, bis einer von ihnen auch eines entfuhr, dessen Lautstärke dem des Doktors bei weitem übertraf. Das hörte der Gesandte, unterbrach sein Gespräch und sagte zu den Jungfrauen: „Fahrt flugs damit fort nacheinander. Wenn es herum ist und ich bin wieder dran, will ich wohl damit fortfahren.“ Über diesen Ausspruch mussten alle sehr lachen, und die Herzogin, von des Doktors Höflichkeit und Schlagfertigkeit angetan, blieb äußerst gelassen. Dadurch wurde die Peinlichkeit der Situation überspielt.

 

 

Höflichkeit tut bisweilen mehr,

wenn ein Mann nicht hochwillfahren ist.

Und ist er dazu noch ein kluger Mann,

der einen Scherz gibt und auch einen nehmen kann.