Das Phänomen Rasputin

 

Es scheint zunächst unerklärlich, welche Wirkung und welchen Einfluss Rasputin auf Frauen und viele hochgestellte Persönlichkeiten und sogar auf den Zaren selbst gehabt hat.

Vieles ist jedoch erklärbar, denn die moderne Medizin hat den Effekt von Hypnose auf Schmerzzustände und Blutzirkulation nachgewiesen. Die gekonnte Hypnose kann zwar nicht die Krankheit heilen, die Zirkulation jedoch „in Grenzen halten.“ Dabei spielt selbstverständlich die geistige und körperliche Verfassung des Patienten, auch seine emotionale Beschaffenheit eine nicht zu unterschätzende Rolle. Angst, Wut und Ärger können zu einer vermehrten Ansammlung von Blut in den Kapillaren, den winzigen Blutgefäßen, führen und gefährliche Veränderungen der dünnen Gefäßwände bewirken, was wiederum zu verstärktem Blutandrang führt.

Der Muschik verstand es, mit seinem durchdringenden Blick, durch einfaches Berühren mit der Hand oder Auflegen der Hand auf die Schulter, seinem Gegenüber seinen Willen aufzuzwingen, bis der Betreffende in eine Art Willenslähmung fiel. Und das nicht nur bei Frauen, auch andere Persönlichkeiten bestätigen das, wie z.B. der Innenminister Chwostow.

Übereinstimmung zeigten viele Persönlichkeiten in ihren Berichten zu den Augen des Sibiriers. Sie müssen wohl eine nicht zu widerstehende Anziehungskraft ausgeübt haben. Nicht nur der Innenminister Chwostow gab an, er [Rasputin] wäre einer der stärksten Hypnotiseure, von dem er sich bei jedem Zusammensein bedrückt fühlte. Auch Manuilow, Journalist und Vermittler zwischen Rasputin und seinen Protegierten, wurde bei einem Besuch des Gottesmannes willenlos, nachdem er seine Hand genommen und ihn fest angesehen hatte. Jelena Dschanumowa, eine von Rasputin verehrte Moskauer Bekannte, berichtet: „Augen hat der Mann, die unbeschreiblich sind. (…) Es ist unmöglich, lange seinen Blick auszuhalten. Es liegt etwas Schweres darin, (…) obwohl seine Augen vielfach von Güte leuchten, zeigen sie doch immer auch eine gewisse Schlauheit. (…) Und wie grausam können sie manchmal sein. Und grauenvoll sind sie im Zorn.“

Der französische Botschafter Maurice Paléologue berichtet in seinem Werk „Erinnerungen“ über die Begegnung mit Rasputin von einem Gesichtsausdruck, der von den glänzenden, tiefen, sonderbar anziehenden Augen beherrscht wird. „Sein Blick ist gleichzeitig durchdringend und liebkosend. Naiv und schlau zugleich, scharf und weit blickend.“

Anna Wyrubowa, die zu der Zeit die besten persönlichen Kontakte zur Zarin hatte, eine Frau, nicht besonders hübsch, die von bestimmten Hofkreisen mit dem entwürdigenden Beinamen „die Kuh“ tituliert wurde, war ähnlicher Auffassung, wenn sie meint: „…seine Augen hatten etwas Faszinierendes, sie zwangen mich sofort in ihre Gewalt und erinnerten mich an die Augen Johannes von Kronstadt.“

Sind nicht die Augen das „Spiegelbild der Seele“, das uns tiefen Einblick in den Charakter eines Menschen gewährt?

Das Zarenpaar jedoch wollte von solcher Willensmanipulation nichts wissen. Beide unterwarfen sich dem Gedanken, der „Wille Gottes“ spreche durch Rasputin zu ihnen. Diese Unterwerfung übermittelte der Gottesmann besonders der Zarin „durch seine Suggestivkraft.“

Das ist ein kaum zu glaubendes Phänomen, doch der Psychologe August Forel bestätigt: „Derjenige, der einer solchen Einwirkung unterworfen wird, hat gar nicht den Eindruck, dass es der Wille des Hypnotisierenden ist, sondern sein eigener …“